Samstags-Shoppen in Mitte

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Samstags-Shoppen in Mitte

Neulich hab ich gedacht, ich muss meinen Style verändern. Wenn ich durch Berlin gehe, sehen alle so cool, fancy und geil aus, nur ich nicht. Daran wollte ich was ändern, muss mich als Neue halt anpassen.

Ich bestelle bei Amazon und Zalando. Schuldig im Sinne der Anklage. Und ja, ich schäme mich dafür. Wenn ich mein Paket bei der Packstation abhole, gehe ich mit gesenktem Blick nach Hause wie ein reumütiges Wesen und versuche den vorwurfsvollen Blicken der Passanten zu entkommen. Das klimaschädliche CO₂-Monster wird diskret schnell nach Hause geschleust und in Sicherheit gebracht. Über die Retoure brauchen wir gar nicht erst zu sprechen.

Ich bin froh, dass die meisten Läden ihre Öffnungszeiten dem typischen Samstags-ich-komm-einfach-nicht-in-die-Gänge-Rumgegammel angepasst haben und man ganz entspannt in den Tag starten kann.[1] Mein Tag in Mitte entwickelte sich dann folgenderweise:

Stop 1: Tour-Start in drei Second-Hand-Läden. Der CO₂-Ausgleich zu meinen besagten Bestellungen muss ja auch irgendwie berücksichtigt werden. Kauf einer 80ies-Bluse mit gewaltigen Schulterpolstern, die mir das Kreuz eines Gorillas verpassen. Kauf eines kaputten Gürtels, der irgendwie magic aussieht. Kauf eines Puma-Shirts, das einfach nur out ist, aber brutal günstig war. Kauf einer koffeinhaltigen Öko-Limo zum Durchhalten.[2]

Stop 2: Ich hasse ja Schlange stehen, ist voll nicht mein Ding. Beim nächsten Laden war es dann aber tatsächlich so, dass nur Termine zur Anprobe im Laden vergeben werden. Die Designerin und Besitzerin des Ladens öffnete mir und sagte, dass ich reinkommen kann, wenn sie eh schon mal da ist. Leute, alles geil in dem Laden! Aufgrund der exquisiten Ware mit entsprechender Preis-Etikettierung kein Kauf, nur träumen. Ich komme wieder, dann aber mit Sponsor.

Stop 3: Rüber in eine Gallery Boutique wo ich nicht so ganz fündig wurde, obwohl immer geiler Kram im Schaufenster ist. Mein Blick blieb dann stundenlang an einem orangen Bandeau-Top mit schreiendem Löwenkopf hängen. Der Verkäufer muss gedacht haben, dass ich in einer Art Trance-Zustand gewesen bin, hat mich aber diskret in Ruhe gelassen und gewartet was wohl als nächstes passieren mag. Unschlüssig wegen der Farbe und Kombi-Möglichkeiten, Shop verlassen, kein Kauf. Verkäufer froh, dass verdächtige Person den Laden verlässt.

Stop 4: Vietnamese, keine Klamotten, Essen. Der Fokus soll allerdings auf der orangen Wand hinter mir liegen und dem Cocktail mit dem gut gemeinten Extra-Schuss Alkohol. Leicht bedudelt frage ich die Kellnerin, ob orange mir stehen würde. Die Wand hinter mir soll ihr helfen sich ein genaueres Bild zu verschaffen. Sie unschlüssig, ich erzähle vom kreischenden Löwen. Der Löwe war maßgebend für die Urteilsbildung. Ja, kaufen. Nette Kellnerin, danke nochmal für die Stil-Beratung beim Vietnamesen.

Stop 5: Späti, kleines Bier, rüber ins Grüne. Brainstorming: Fahrrad auf dem Balkon, orange mit schwarzer Jacke, der Lieferando-Fahrer macht aber lange Pause, die Zähne des Löwen, der Rentner neben mir ist wahrscheinlich schwerhörig, deshalb grüßt er nicht zurück, bauchfrei ist schwierig in meinem Alter. Kaufen!

Stop 6: Späti, großes Bier, zurück ins Grüne. Ich bin schon lange unterwegs, also nehme ich mal ne voice message für meinen Freund auf um ihm zu sagen, dass ich gleich zu Hause bin. Bier, zweites Brainstorming, finale Entscheidung. Löwe in Kombination mit dem orange erinnert zu sehr an Ed Hardy – Finger weg!

Stop 7: Hipper Sneaker-Laden in dem Sneakers wie Gottheiten in Szene gesetzt werden. Ich fühle, dass ein Männer T-Shirt mit Kunstdruck von irgend so nem Fotographen genau das Richtige für mich ist. Ich warte geduldig vor der Ankleide, in der niemand ist. Später Anprobe, Kauf bestätigt.

Stopp 8: Stopp 8 sollte eigentlich zu Hause werden, war dann aber doch der Späti. Auf der Parkbank fällt mir dann ein, dass ich den Fotographen vorher mal hätte googeln sollen. Nicht dass das so einer mit Nazi-Vergangenheit ist und ich damit unwissend durch die Gegend laufe. Gegoogelt, alles safe.

Aus „gleich zu Hause“ wurden zwei Stunden. War ein geiler Shopping-Samstag in Mitte.


[1] Wo mag die Schmerzgrenze bei den Einzelhändlern in Zukunft wohl liegen? Samstags geöffnet von 18 Uhr -open end?

[2] Shopping-Tipp meinerseits: Spart das Geld für die Einkaufstasche und investiert es in den CO₂-Ausgleich bei Zalando.

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